Sonntagabend, 20 Uhr. Auf einem Innenhof an der Rottstraße drängen sich die Leute. Weit über 50 BesucherInnen sind in das Soziale Zentrum gekommen. Sie alle interessieren sich für ein verhältnismäßig kleines Zimmer im ersten Stock. Hier hat ein neues Projekt sein Quartier gefunden: Aus dem KostNixLaden können alle BesucherInnen Gegenstände mitnehmen, für die sie eine Verwendung haben – ohne Geld und Gegenleistung. Es werden Dinge angeboten, die Menschen im Laden abgeben, weil sie sie nicht mehr brauchen, die andererseits jedoch zu schade wären, um sie wegzuwerfen. Von dem neuen Angebot wurde am Sonntag reger Gebrauch gemacht: Hosen und T-Shirts, Stofftiere und Geschirr, ja selbst Herdplatten fanden neue NutzerInnen.
Nicht nur für „Bedürftige“
Über 30 selbstorganisierte Projekte dieser Art gibt es schon in der Bundesrepublik. Das Konzept ist überall ähnlich: Anders als bei karitativen Einrichtungen wie Kleiderkammern oder den Tafeln sollen nicht nur „besonders Bedürftige“ mit kostenlosen Gebrauchsgegenständen versorgt werden. Die Umsonstläden können und sollen alle nutzen, und zwar unabhängig vom Geldbeutel.
Natürlich soll der Laden auch Leuten helfen, die wenig Geld zur Verfügung haben. Aber der Anspruch geht viel weiter: Die Initiative BochUMsonst will auf praktische Weise kritisieren, dass in der herrschenden Gesellschaft fast alles einen Warenwert hat und nur für Geld zu haben ist – und dass andererseits nützliche Gebrauchsgegenstände massenhaft weggeworfen werden. „Uns geht es darum, dass die Leute den Gebrauchswert, und nicht den Tauschwert einer Sache wahrnehmen. Nicht ein Preisschild ist das Wichtige, sondern was ich mit dem Ding anfangen kann.“
Hier wird nicht getauscht
Diese alternative Wertlogik wollen die InitiatorInnen des Bochumer Umsonstladens durch selbstorganisierte Solidarität im täglichen Leben allmählich verbreiten. Deshalb geht es bei dem Projekt anders als etwa bei Tauschringen nicht um Leistung und Gegenleistung. Zwar sind alle eingeladen, Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände, für die sie keine Verwendung mehr haben, vorbeizubringen. Besonders wichtig ist der Bochumer Initiative jedoch, dass das keine Bedingung ist: „Wir wollen, dass nicht nur das kostenlose Geben, sondern auch das bedingungslose Nehmen selbstverständlich wird. Niemand sollte ein schlechtes Gewissen dafür haben, dass er oder sie kein Geld für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse ausgeben will.“ Das Ziel bestehe darin, eine Möglichkeit für den Erwerb, die Nutzung und die Weitergabe von Gütern außerhalb der kapitalistischen Tauschwertlogik zu bieten.
Die Bochumer Umsonstladen-GründerInnen sind sich bewusst, dass das Projekt in dieser Form nur in einem Überfluss produzierenden kapitalistischen System denkbar ist. „Der KostNixLaden selbst ist kein Modell für eine Gesellschaft, in der nach den Bedürfnissen der Menschen produziert wird. Aber eine solche Gesellschaft gibt es derzeit leider nicht. Und der Umsonstladen schafft einen sozialen Raum, in dem hier und heute alternatives und solidarisches Handeln möglich ist.“
Um neben dieser praktischen Tätigkeit weitergehende Auseinandersetzungen anzustoßen, will die Initiative in Zukunft auch Diskussionsveranstaltungen organisieren. Die Ideen reichen von den großen theoretischen Fragen bis hin zu Themen, die sich aus der konkreten Umsonstladen-Arbeit ergeben: „Wir stellen zum Beispiel fest, dass ein Großteil der Anziehsachen, die wir bekommen, für die meisten Menschen zu eng sind. Und auch in der linken Szene, der wir uns zugehörig fühlen, gilt: Wer gut aussehen will, muss dünn sein. Deswegen wollen wir uns genauer und kritisch mit Körperwahrnehmung und Körperidealen beschäftigen.“
Umsonst einkaufen – umsonst essen
Ab sofort ist der Bochumer KostNixLaden jeden Sonntagnachmittag geöffnet. Den Termin haben die Aktiven nicht zufällig ausgewählt. Der Tag ist mit dem kostenlosen veganen Essen von „Food Not Bombs“ im Sozialen Zentrum schon seit Jahren ein etablierter Termin für ein politisches Umsonst-Projekt. Weil die beiden Initiativen ihre radikale Kritik an den bestehenden, auf den Tauschwert ausgerichteten Verhältnissen teilen, hoffen sie auf Synergieeffekte in ihrer Arbeit.
Wohin eine solche Vernetzung führen kann, zeigt das Beispiel Hamburg. Dort sind die beiden lokalen Umsonstläden nur Bestandteile einer größeren, gemeinschaftlich organisierten Struktur, die in erster Linie ein Ziel hat: Die teilnehmenden Menschen wollen ihre Abhängigkeit von Erwerbsarbeit so weit wie möglich reduzieren. In dem Hamburger Projekteverbund gibt es inzwischen ein Kleinmöbellager, die „Freie Uni Hamburg“ als kostenloses Bildungsprojekt, eine Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt, eine Textilgruppe, die „Freie Bibliothek“ und eine Menge kleinerer Projekte.
Auch in Bochum können sich die Aktiven von BochUMsonst zusätzliche Angebote gut vorstellen: In der Gruppe werde gerade diskutiert, wie man auch Lebensmittel kostenlos vermitteln kann. Im Umfeld des KostNixLadens und von Food Not Bombs gibt es einige Leute, die Essen „containern“ – sich also unverdorbene Lebensmittel organisieren, die von den Supermärkten weggeworfen werden. Immer wieder falle dabei mehr ab, als mit den bisherigen Strukturen sinnvoll verteilt werden kann. Und wenn das Soziale Zentrum wie geplant in einem Jahr umzieht, dann stehe auch eine Vergrößerung des Umsonstladens zur Debatte.
rvr
KostNixLaden
im Sozialen Zentrum, Rottstr. 31
Jeden Sonntag, 17-20 Uhr
Mehr Infos: http://bochumsonst.noblogs.org (Im Aufbau)
Kontakt: bochumsonst@lists.riseup.net
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