Dr. Edna Brocke (Lehrbeauftragte für Judentumskunde an der RUB und Nichte der Philosophin Hannah Arendt) und ihr Team vom Kulturzentrum „Alte Synagoge Essen“ führten durch die Veranstaltung und erklärten dem überwiegend älteren Publikum (Altersdurchschnitt weit jenseits der 60) die geplanten baulichen und inhaltlichen Veränderungen. Für knapp 7,4 Millionen Euro (finanziert zu 80 Prozent aus Landesmitteln) soll das Gebäude spätestens bis zum Jahr der Kulturhauptstadt den aktuellen Bedürfnissen als Kulturzentrum angepasst werden.

Von der Synagoge zur „Alten Synagoge“

Die 1913 eröffnete Synagoge diente der Jüdischen Gemeinde in Essen bis zur Reichspogromnacht vom 9. November 1938 als religiöses, kulturelles und soziales Zentrum. In einer der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte wurde die Synagoge geschändet und der Innenraum nahezu komplett zerstört. Sein Überleben verdankt das Gebäude ausschließlich seiner Lage und seiner Bausubstanz. Die Nazis planten den Abriss der repräsentativen Innenstadt-Synagoge, was jedoch aufgrund des Baumaterials (Stahlbeton) nicht durchführbar war. Auch eine Sprengung war wegen der vielen unmittelbaren Nachbargebäude (darunter die etwa zeitgleich zur Synagoge entstandene Alt-Katholische Friedenskirche) nicht möglich und so überlebte das größte freistehende jüdische Bauwerk nördlich der Alpen. Nach dem Krieg erhielt es jedoch nie seine eigentliche Bedeutung zurück. Während die jüdische Gemeinde in Essen den Bau einer neuen Synagoge einer Renovierung vorzog, nutze die Stadt das außergewöhnliche Bauwerk ab 1961 als Museum für Industriedesign. Im Zuge des Umbaus wurden alle synagogalen Elemente im Innenraum entfernt. Diese mehr als fragwürdige Botschaft und die deutsche Verantwortung erkannte die Stadt offensichtlich erst Ende der Siebziger Jahre und rief 1980 die Stiftung „Alte Synagoge Essen“ ins Leben, die sich seither der Vermittlung jüdischer Kultur widmet. Zwischen 1986 und 1988 wurde schließlich der Innenraum der Synagoge rekonstruiert.

Besucherorientierte Modernisierung

Trotz der Rekonstruktion der synagogalen Elemente wurde das Gebäude jedoch bis heute nicht mehr für Gottesdienste genutzt. Stattdessen gibt es Ausstellungen zu diversen Themen rund um das Judentum und regelmäßige Veranstaltungen, die nicht zwangsläufig in den Kontext des Hauses passen. Aus diesem Grund möchte die Stiftung auch diverse Umbauten vornehmen, damit die Rolle als Museum und kulturelles Zentrum besser wahrgenommen werden kann. Kritik wurde während der Veranstaltung schon von einem Denkmalschützer und Kunsthistoriker laut, der die Umbauarbeiten für fragwürdig hält und die weitere Wegentwicklung vom ursprünglichen Charakter anprangerte. VertreterInnen der Stiftung verteidigten ihr Konzept primär mit dem Argument, die Synagoge als bedeutenden Teil deutsch-jüdischer Geschichte als „wichtigstes Ausstellungsstück“ innerhalb des Kulturzentrums zu etablieren. Zurzeit ist der Hauptraum noch mit Ausstellungsstücken „verstellt“. Diese sollen zukünftig in Nebenräume ausgelagert werden, damit sich „die Raumwirkung entfalten“ könne.

Kein Platz für Religion?

In der Vergangenheit äußerten sich jüdische Gemeinden immer wieder kritisch über das Projekt in Essen. So verweigerte die Stiftung einer Gemeinde die unregelmäßige Nutzung der Synagoge für Gottesdienste. Aufgrund ihrer Größe und Lage in der Innenstadt eignet sich das Gebäude ideal für größere Feiertage. Dr. Peter Schwiderowski von der Stiftung „Alte Synagoge Essen“ sieht das offenbar anders. Er ließ damals schriftlich mitteilen, die Synagoge sei heute eine Gedenkstätte mit Mahnmalscharakter und die Nutzung der Synagoge durch Betende widerspreche dieser Gedenkintention. Ob er dies meinte, als er am vergangenen Donnerstag davon sprach, Geschichte sei „ein Prinzip von Veränderung“, ist uns leider nicht bekannt.

Wer vor dem Umbau noch den aktuellen Zustand der Synagoge begutachten möchte oder aus universitärem oder privatem Interesse das große Archiv jüdischer Schriften einzusehen plant, hat dafür noch Zeit bis zum 4. September, danach wird das Zentrum wegen der Bauarbeiten vorerst geschlossen.

jk

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