Zum Glück ist es in Hessen nicht mehr nötig, dass die CDU aus ihrer chronischen geistigen Umnachtung erwacht, nachdem am 30.10.2007 mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen auch von richterlicher Seite klargestellt wurde, dass Studiengebühren in Hessen illegal sind. Die dortige Landesverfassung verspricht nämlich den unentgeltlichen Besuch jeglicher Lehranstalten. Lediglich ein „angemessenes Schulgeld“ darf erhoben werden – mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Betroffenen. Hessens CDU will diese Rücksichtnahme durch „Bildungskredite“ gewährleisten, doch dem hat das Verwaltungsgericht Gießen einen Riegel vorgeschoben. Die Aufnahme eines Kredits, so heißt es in der Urteilsbegründung, verschlechtere die wirtschaftliche Situation der Studierenden, und dies sei nicht als Rücksichtnahme zu bezeichnen. Daraus kann konsequenterweise nur die Gebührenfreiheit folgen.
Hessen: Gebührenfreiheit am
5. Juni beschlossen?
Die nächste gute Nachricht ist, dass die SPD ausnahmsweise einmal ihre Wahlversprechen einlösen möchte: Den vollmundigen Ankündigungen, im Falle eines Wahlsiegs innerhalb von 100 Tagen die Studiengebühren abzuschaffen, hat zunächst keiner Glauben geschenkt – doch tatsächlich steht nun am 5. Juni die dritte Lesung eines Gesetzesentwurfs von SPD und Grünen an, der Gebührenfreiheit für Erst- und Zweitstudium ebenso vorsieht wie eine Abschaffung der Strafgebühr für Langzeitstudierende. Noch positiver ist, dass künftig über die Mittelvergabe demokratisch entschieden werden soll – sprich, es sollen Kommissonen eingerichtet werden, die entscheiden, was mit den Subventionen des Landes in den Hochschulen passiert. Und noch ein Wunsch soll in Erfüllung gehen: Besagte Kommissionen werden dem Entwurf nach paritätisch, in dem Fall zu gleichen Teilen aus Studierenden und ProfessorInnen, besetzt. Klar ist auf jeden Fall, dass die Gelder des Landes zweckgebunden verwendet werden müssen, ähnlich wie jetzt die Studiengebühren. Sie sind ausschließlich zur Verbesserung der Lehre gedacht.
Kein gebührenfreies Hamburg
Natürlich steht das Ganze auf noch nicht völlig sicheren Füßen – besonders, da Hessens CDU die Grünen umwirbt und versucht, sie zu einem nachgelagerten Modell zu bewegen. In Hamburg ist diese Strategie bereits aufgegangen: Die Grün-Alternative Liste (GAL) hat dort zu Gunsten der Regierungsbeteiligung das gebührenfreie Studium endgültig beerdigt. Damit werden in der Hansestadt die Studierenden nach dem Abschluss zur Kasse gebeten, sofern sie ein Jahreseinkommen von 30.000 Euro nicht unterschreiten. Die Zwischenzeit soll durch Kredite überbrückt werden, welche die Stadt aufnehmen muss (zuzüglich anfallender Zinsen). Der Anteil, den die AbsolventInnen tragen müssen, beläuft sich auf „nur“ noch 375 Euro pro Studiensemester.
Die Frage ist: Was bezweckt dieser Ansatz? Eine milde Gabe an all’ jene zu verteilen, die trotz ungewisser finanzieller Verhältnisse studieren möchten? Einen Versuch, dem zunehmend aus Privatmitteln gespeisten Bildungssystem einen sozialen Anstrich zu verpassen? Schließlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als hätte die CDU ordentlich zurückgesteckt. Tatsächlich wird durch die nachgelagerten Studiengebühren vor allem eine Lage geschaffen, die in Zukunft nur noch schwierig zu ändern sein wird. Freie Bildung als Grundrecht wird verneint. Und auch wenn zunächst behauptet werden kann, ökonomische Zugangsbeschränkungen existierten nicht mehr, wird die Realität wahrscheinlich bald anders aussehen. Erfahrungen in dieser Hinsicht gibt es zum Beispiel in Australien, wo mit der nachgelagerten Methode nicht genug Geld zusammenkommt und deshalb SofortzahlerInnen bei der Studienplatzvergabe Vorrang gewährt wird. Die soziale Selektion wird damit subtiler betrieben – und es ist schwieriger, sie wieder loszuwerden.
Annika Klüh
0 comments