Der Irrtum mit dem Eltern-Kind-Verhältnis:
Kinder haften für ihre Eltern
„Eltern haften für ihre Kinder“. Wer kennt diesen altbekannten Spruch nicht, der auf hübsch auffälligen, gelb leuchtenden Warnschildern zahlreiche Baustellen in Deutschland ziert? Den Spruch hat wohl jede und jeder von uns schon das ein oder andere Mal gehört oder gelesen.
Das einprägsame Schild soll Kinder davon abhalten, Baustellen als Spielplätze zu erobern und gleichzeitig den Eltern noch einmal einschärfen, ihren Nachwuchs vom Klettern in dem Baugebiet abzuhalten. Warnt es die Eltern doch mit dem liebevollen Hinweis, dass sie für das Verhalten ihrer Kinder voll und ganz einstehen müssen. Nicht nur das! Laut der Aussage des Schildes sollen sie sogar für durch ihre Kinder verursachte Schäden haften müssen. Aber müssen sie das wirklich?
Vor allem auf einer Baustelle, die als „Abenteuerspielplatz“ zum Spielen geradezu einlädt, kann es allzu leicht passieren, dass die Kleinen dort etwas beschädigen oder sogar selbst verletzt werden. Den Verbotsschildern nach soll die Haftung für die entstandenen Schäden in solchen Fällen bei den Eltern liegen. Eine generelle Haftung für den eigenen Nachwuchs würde jedoch auf „Sippenhaft“ hinauslaufen, und die wurde in Deutschland zum Glück abgeschafft. Zumindest weitestgehend. Nach deutschem Recht haftet also zunächst erstmal jede und jeder für sich selbst. Wenigstens im Regelfall.
Dementsprechend haften zunächst einmal nicht die Eltern, sondern die Kinder selbst. Der Verschuldensmaßstab bestimmt sich bei Kindern nach Alter und Einsichtsfähigkeit. Grundsätzlich gilt die Siebenjahresgrenze. Wenn man dem Gesetzeswortlaut folgt, besteht folgender Grundsatz: Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich (§ 828 I BGB). Kinder unter sieben haften demzufolge schon mal gar nicht. Zwischen 7 und 18 Jahren richtet sich die Schuldfähigkeit nach der Einsichtsfähigkeit des Kindes oder des Jugendlichen (§ 828 III BGB). Für den Straßenverkehr macht das Gesetz sogar noch eine Ausnahme, indem es die Schuldunfähigkeit des Minderjährigen auf das zehnte Lebensjahr anhebt. Als Grund dafür wird angeführt, dass Kinder unter zehn Jahren noch nicht die besonderen Gefahren des fließenden Verkehrs einschätzen können. Wie auch, wenn es noch nicht einmal die meisten Erwachsenen können?
Wer sich jetzt fragt, wie das sein kann und wann die Eltern dann bitteschön für die Erziehung oder eben Nichterziehung ihrer Sprösslinge herangezogen werden können, erhält hier die Antwort: eine Haftung der Eltern entsteht dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht gemäß Â§ 832 BGB verletzen. Als Sorgeberechtigte sind sie demnach verpflichtet, ihr Kind zu beaufsichtigen und müssen für den Schaden eintreten, den der Minderjährige einem Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Das aber auch nur, wenn der Schaden nicht auch bei „gehöriger Aufsichtsführung“ entstanden wäre. Allerdings liegt auch hierin keine Durchbrechung des obigen Grundsatzes vor, da die Eltern nicht für die Fehler ihrer Kinder, sondern für ihre eigenen haftbar gemacht werden.
Richtig müsste der weise Warnspruch auf den Schildern also eigentlich lauten: „Kinder haften für ihre Eltern“. Denn im Zeitalter erhöhter Pflegekosten, stellt sich die Frage, ob nicht eher die Kinder für ihre Eltern aufkommen müssen, wenn diese nicht für die Kosten für ihre Heimunterbringung aufkommen können oder wenn sie für ihre „Kleinen“ irgendwelche Fesselverträge abgeschlossen haben. Aber das ist wohl eher ein Thema, dem wir uns ein anderes Mal widmen…
jr
0 comments