Bulette versus
Eisbärkind
Wie eigentlich alles (zum Beispiel: Essen, Menschen, Politik, Wetter, das Leben im Allgemeinen) war auch das Fernsehen früher viel besser. Schuld am fortschreitenden Verfall des Fernsehens ist nicht zuletzt die stete Zunahme von so genannten Infotainment-Sendungen. Speerspitzen der modernen Wissensgesellschaft, wie beispielsweise das beliebte Format „Galileo“, beweisen uns täglich die geradezu wahnwitzigen Ausdehnungsmöglichkeiten des Themas Nahrung („Wie wird eigentlich Eiersalat gemacht?“) und die redaktionelle Fähigkeit, selbst die unwahrscheinlichsten Anlässe für das Zeigen von entblößten oder zumindest wenig verhüllten weiblichen Brüsten auszuweiden. Untereinander schieben sich die verschiedenen einschlägigen Sendungen die immer gleichen Themen und Berichte zu, um sie unter einem anderen, superlativgeschwängerten Namen zum zehnten Mal zu senden.
Nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen entzieht sich dieser medialen Müllverwertung – zum Beispiel, indem hier auf das gute alte Mittel der ausführlichen Live-Berichterstattung zurückgegriffen wird. So widmete die ARD erst kürzlich eine erklecklich lange Zeit im Programm dem ersten Freigang des Eisbärenjungen der Saison („Flocke“) – ein beeindruckendes Zeugnis journalistischen Handwerks. Ein brisantes Experteninterview musste mit heftigem Gestikulieren und einem vor Aufregung etwas verwackelten Schnitt unterbrochen werden, um dem unbedingten Meldungscharakter eines ersten Schwimmversuches des armen Tieres Rechnung zu tragen. Die sich überschlagende Stimme des Reporters und die generelle Aura der Sensation gemahnten an vergangene legendäre ARD-Liveberichte, etwa zum Sturz Saddams oder der letzten Papst-Wahl.
Während wir einerseits erfreut feststellen können, dass die ARD nach wie vor nicht an der Suche nach der größten Bulette und dem besten BH teilnimmt, müssen wir andererseits eingestehen: Die schamlose Ausnutzung der Gefühle von harmoniebedürftigen Rentnerinnen und Rentner mittels immer neuer Tierkinder ist auch nicht besser – nur noch langweiliger.
haje
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