Feiern auf Narkosemittel? Was zunächst nach einem Widerspruch klingt, soll mit Ketamin ganz gut klappen. Denn statt komplett einzuschläfern, schaltet „Special K“ die Schmerzempfindung aus, fährt den Kreislauf hoch und beschert LSD-ähnliche Halluzinationen.
Seinen Ursprung hat der Arzneistoff seinem Vorgänger PCP (Phencyclidin, besser bekannt als Angel Dust) zu verdanken. Da letzteres Narkosemittel zu starke Nebenwirkungen verursachte, musste ein neues her – so wurde 1962 Ketamin in den USA erstmalig hergestellt.
Bereits beim ersten Selbstversuch zeigte sich, dass die Substanz nicht nur Bewusstlosigkeit, sondern auch psychedelische Erlebnisse mit sich bringt. Während NarkoseärztInnen deshalb Ketamin nur in Kombination mit Schlafmittel verabreichen, ist es genau die halluzinogene Rauschwirkung, die nichtmedizinische KonsumentInnen erleben möchten. Seit den 1970er Jahren kursiert der Stoff in Form von Pulver oder Injektionen in der Partyszene.
Kurz und schmerzlos
Geschluckt setzt die Wirkung nach etwa einer Viertelstunde ein, durch die Nase tritt der Rausch bereits nach fünf Minuten ein, während der Trip selbst nur eine knappe bis gute Stunde dauert.
„Erstmals habe ich das Zeug auf einer Exkursion in England in die Hände bekommen. Ich fühlte mich wie bei einem Fiebertraum, die Umrisse meiner Umgebung nahm ich wahr, aber alles war bunt vermischt.“
Matthie, 22, Student, schnupft gelegentlich Ketamin
Wie alle Narkosemittel dämpft Ketamin das Schmerzempfinden stark, während es statt einzuschläfern Blutdruck und Puls erhöht. Unangenehme Begleiterscheinungen können daher Übelkeit, Erbrechen und Angstzustände sein. Auf psychischer Ebene berichten KonsumentInnen von einer Art Traumzustand, bei dem sie mitunter das Gefühl haben, den eigenen Körper verlassen zu haben oder mit der Umgebung zu verschmelzen.
Völlige Entfremdung und Verletzungsgefahr
Solche paranormalen Eindrücke erleben viele eher als Albtraum; sie empfinden ihre Existenz als aufgelöst und können weder sich selbst noch die Situation einordnen, was in starker Panik gipfeln kann.
Abgesehen von solchen Horrortrips birgt das Narkosemittel die Gefahr der unabsichtlichen Verletzung, da schmerzhafte Reize nicht als solche wahrgenommen werden. Kriegt der Körper etwa kochendes Wasser ab – wodurch auf der Haut massive Schäden entstehen –, fühlt sich das auf Ketamin lediglich als lauwarm an.
„Mein Bruder nahm Ketamin zusammen mit einem Freund regelmäßig ein. Sobald sie ihren Trip hatten, begannen sie sich absichtlich Schmerzen zuzufügen, um zu testen, wann sie endlich was spüren. Sie schlitzen sich Arme und Beine auf oder schlugen aufeinander ein. Bis irgendwann einer von ihnen gestorben ist.“
Elise, 24, Studentin, ihr Bruder starb an Ketamin
Über Langzeiteffekte ist bisher wenig bekannt; Filmrisse gehören aber ebenso dazu wie Nasenbluten am Tag nach oralem Konsum. Manche berichten auch von dem so genannten K-Hole, das nach außen hin einer Bewusstlosigkeit ähnelt, während Betroffene von Reisen durch dunkle Tunnel sowie Nahtoderfahrungen berichten.
:Melinda Baranyai &
:Katharina Cygan
Steckbrief: Ketamin
Erstmals hergestellt: 1962 in den USA
Wirkstoff: Ketamin
Wirkung: schmerzhemmend, benebelnd
Zu sehen in: „Dr. House“, „Donkey Punch“
In unserer Drogenreihe stellen wir Euch die Wirkungsweise verschiedener Substanzen vor – Erfahrungsberichte treffen auf Wissenschaft.
Lest hier auch den anderen bisher erschienenen Artikel der Reihe:
„Schmetterling trifft Handgranate“
„Die Droge der Reichen und Schönen“
„Vom Gift nur das Allerfeinste“
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