Keine Gute-Nacht-Geschichte für Herrn Castrillo: Auf den Beschluss von Fahrpreiserhöhungen seitens des Verkehrsbetriebs Bogestra Anfang der 70er Jahre reagierten Studierende in Bochum und Umgebung mit der Protest-Aktion „Roter Punkt“ und riefen in verschiedenen Städten zu Demos auf.
Wie eine resignierte Antwort auf die aktuellen Verhandlungen mit dem VRR klingen diese Zeilen aus der :bsz-Ausgabe Nr. 73 vom 11. Februar 1971: „Man schien die regelmäßig wiederkehrenden Tariferhöhungen des öffentlichen Nahverkehrs mit gleicher achselzuckender Selbstverständlichkeit hinzunehmen wie die Sonnenfinsternis.“ Damals sollten in verschiedenen Ruhrgebietsstädten Fahrpreiserhöhungen bis zu 40 Prozent durchgedrückt werden. Anders als heute befanden sich StudierendenvertreterInnen in Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben.
Studierende, VertreterInnen und verschiedene Organisationen beschlossen schnell, sich mit Protestaktionen zu wehren. So beteiligten sich AStA, Gewerkschaften, KommunistInnen, SozialdemokratInnen und SchülerInnen-Vertretungen daran, die Protestaktion „Roter Punkt“ ins Leben zu rufen. Wer sich mit der Aktion solidarisierte, signalisierte mit roten Punkten auf Autoscheiben, dass er/sie Studierende und andere Betroffene mitnehmen könne. Ziel war, die Verkehrsbetriebe wegen der Preiserhöhungen zu boykottieren. Dabei blieb es aber nicht.
Um erhöhten Druck aufzubauen, schlug man in der besagten :bsz-Ausgabe vor, dass „man die BOGESTRA kurzfristig materiell schädigt, beispielsweise durch die Blockade einer bestimmten Linie.“ Am 18. März 1971 gab es dann eine solche Aktion mit erster großer Kundgebung von 1.500 Jugendlichen in der Bochumer Innenstadt. Als Studierende dort auch Gleise besetzten und die Straßenbahn blockierten, griff die Polizei brutal durch; mehrere DemonstrantInnen wurden verletzt und um die 60 Studierende festgenommen.
Anders wurde es in der lokalen Presse dargestellt: Die WAZ schrieb von einer „wilden Demonstration unter dem Banner der roten Garde“ und einem „Sitzstreik“ mit 300 ProtestlerInnen. Die :bsz konterte mit Fakten: Für einen Sitzstreik sei es „viel zu kalt“ gewesen. In der Folge hetzten die lokalen Medien gegen die Rote-Punkt-Aktion und kritisierten so die Funktion der :bsz als Sprachrohr der Studierenden und Medium einer Gegenöffentlichkeit. So berichteten WAZ und Co. verstärkt über die sogenannte Aktion „Grüner Punkt“, eine Kampagne, die von der Bogestra gestartet wurde, um die von den drastischen Fahrpreiserhöhungen betroffenen Protestierenden in der Öffentlichkeit als Kriminelle darzustellen.
Politisierung und Prozesse
Nach der Demonstration distanzierten sich dann die zuvor an der Initiative beteiligten SozialdemokratInnen vom Roten-Punkt-Protest und wurde infolgedessen von der :bsz angefeindet. Als weitere Kampfaktionen der Studierenden erfolgten, empfahl die SPD im Stadtrat auch den Jusos, „den Weg der Verhandlungen“ zu gehen; die :bsz witterte in der Ausgabe vom 1. Februar 1973 den Klassenkampf: „Stadtbürokraten und Landesregierung waren sich in dem Ziel einig, die Preiserhöhungen mit Gewalt durchzusetzen.“ Denn spätestens als eine Politisierung der Studierenden zu beobachten war, sprach sich auch der FDP-Politiker Willy Weyer für ein verschärftes Vorgehen aus: „Es ist eindeutig erkennbar, daß kommunistische Gruppen nunmehr die Federführung übernommen haben. Ich habe deswegen gewisse Auflagen gemacht für die Demonstrationen: Keine Demonstrationen mehr zur Hauptverkehrszeit, keine auf den Schienen mehr, um sicherzustellen, daß der Verkehr wieder flüssig vonstatten geht.“
Im Jahr 1973 finden zudem Prozesse gegen Rote-Punkt-AktivistInnen statt. Am 24. Januar kommt es in Dortmund zum letzten Rote-Punkt-Prozess gegen einen der Rädelsführer, Klaus Dillmann. Der hält in seinem Schlussplädoyer pathetisch dagegen: „Sie können sich darauf verlassen, dass wir weiterkämpfen werden.“
:Benjamin Trilling
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