Bereits in der vergangenen Woche berichtete die :bsz, dass die Lokalredaktionen der Westfälischen Rundschau (WR) mit Sitz in Dortmund zum 1. Februar 2013 geschlossen werden. Inklusive FreiberuflerInnen stehen etwa 300 Menschen vor einer prekären Situation. Ihre Zukunft ist ungesichert. Einerseits wirft die Entscheidung der WAZ-Mediengruppe, zu der die WR gehört, Fragen auf, inwieweit dieser „Kahlschlag“ unumgänglich war, andererseits verdeutlicht die Schließung der Zeitung einen allgemeinen Trend, demzufolge die Zukunft des Printjournalismus alles andere als rosig aussieht.
Mit der Schließung der WR wird nicht nur die Medienvielfalt in der Region radikal eingeschränkt, auch endet ein Kapitel nordrhein-westfälischer Zeitungsgeschichte. Im März 1946 mit britischer Lizenz u.a. vom Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Fritz Henßler gegründet, wurde das Blatt zu einer der führenden Tageszeitungen in Dortmund und Umgebung. Als Teil der WAZ-Mediengruppe, eines der größten Verlagshäuser Deutschlands, wurde es bereits 2009 Sparmaßnahmen unterworfen. Seitdem bedienen sich die WR, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) sowie die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung (NRZ) für ihre Mantelseiten am zentralen Angebot (Content Desk) der Essener Mediengruppe, während die vor Ort ansässigen Redaktionen die Lokalteile mit Inhalten füllen. Finanzielle Schwierigkeiten hatten in den vergangenen Jahren zu weiteren Sparmaßnahmen geführt; eine Komplettschließung, wie die WAZ-Mediengruppe sie nun veranlasste, war allerdings nicht erwartet worden und traf die Belegschaft wie ein Schlag ins Gesicht.
Eine Zeitung ohne RedakteurInnen
Fortan wird die WR mit Ausnahme ihres Namens keinen eigenen Beitrag zur Medienlandschaft der Region beitragen. Überregionale Schlagzeilen werden weiterhin aus Essen bezogen, während die lokalen Nachrichten von anderen Lokalredaktionen, z.T. Konkurrenzunternehmen, erworben werden. In Dortmund werden Lokalnachrichten zukünftig von der eher konservativen Konkurrenz der Ruhr Nachrichten geliefert; ein Umstand, der die MitarbeiterInnen der WR besonders wurmt. WR-Betriebsrat Uwe Tonscheidt beklagte gegenüber dem WDR, dass, nachdem im vergangenen Jahr die Stärkung der Lokalredaktionen angekündigt wurde, die RedakteurInnen der WR nun nach Hause gehen dürften, während die Konkurrenz übernimmt. Der in Dortmund ansässige Zeitungsforscher Horst Röper monierte den beispiellosen Vorgang. Eine Zeitung werde ohne große redaktionelle Kosten am Leben gehalten – „da kommt Freude auf, das lässt Gewinne erwarten“, so Röper. Die Rechtfertigung der WAZ-Mediengruppe, dass finanzielle Schwierigkeiten die Schließung unumgänglich gemacht haben, ließ Röper nicht gelten. In Dortmund habe die Zeitung weiterhin eine große Auflage verlegen können, eine Komplettschließung sei daher auch nicht zu erwarten gewesen.
Proteste aus Politik und Gesellschaft – Verdunkelungspolitik der WAZ-Gruppe
Seit der Ankündigung der WAZ-Mediengruppe hagelte es Proteste von allen Seiten: Nach ersten Demonstrationen kündigte Silke Bender, Sprecherin des deutschen Journalistenverbandes (DJV-NRW) weitere Protestaktionen an; der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau kritisierte die Führung der WAZ-Mediengruppe scharf, er könne nicht erkennen, „dass alle Möglichkeiten genutzt worden wären, um die radikalste aller Maßnahmen zu verhindern“. Ferner brauche eine demokratische Gesellschaft die „permanente Auseinandersetzung um den richtigen Weg“, so Sierau; inzwischen haben sich auch die Redaktionen der WAZ, NRZ und des Content Desk zu Wort gemeldet: Sie beklagten die Komplettschließung aus demokratietheoretischer, betriebswirtschaftlicher und insbesondere menschlicher Sicht.
Dem lautstarken Protest steht erstaunliche Stille aus dem Lager der WAZ-Mediengruppe gegenüber: In Online- und Printausgabe der WR fanden sich Meldungen zu dem derzeit wohl wichtigsten medienpolitischen Ereignis nur in Randnotizen, Protestschriebe und Leserbriefe zum Thema wurden gar nicht erst abgedruckt. Den RedakteurInnen der WR wurde der Einfachheit halber ein Maulkorb verpasst, „aus übergeordnetem Interesse“ dürfe in den Lokalteilen keine Berichterstattung zur WR erscheinen.
Betriebswirtschaftliche Notwendigkeit?
Ein allgemeiner Trend ist zu erkennen, wonach das bundesweite Zeitungssterben (eher noch) zunehmen wird; insbesondere die lokale Pressevielfalt wird möglicherweise bald schon der Vergangenheit angehören. Die WAZ-Mediengruppe, welche die Komplettschließung mit Vermerk auf die wirtschaftliche Notwendigkeit rechtfertigte, lehnte eine Untersuchung durch eineN unabhängigeN WirtschaftsprüferIn ab. Der Betriebsrat der WR vermutet daher politische Gründe für die Entscheidung.
Dass nicht alle Möglichkeiten zur Rettung der WR seitens der WAZ-Gruppe ausgeschöpft, nicht alle Wege gegangen wurden, scheint deutlich. Dass dadurch der Facettenreichtum der Presse in der Region, insbesondere aber die Zukunft der vielen MitarbeiterInnen der WR vor einem jähen Ende steht, ist tragisch.
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